siegfried

Ausschnitt eines Fotos aus dem Landmann-Album, ansonsten kann nur der Ausschnitt aus dem Familienfoto genommen werden; bzw. das Foto mit allen 8 Landmann-Kindern

Siegfried Landmann (geb. 1877 in Fürth, gest. 1963 in Sao Paolo/Brasilien) war der älteste Sohn von Pauline und Ernst Landmann. Nach einer kaufmännischen Ausbildung in Fürth sowie Lehr- und Wanderjahren in London und Lissabon übernahm er 1897 die russische Filiale der väterlichen Hopfenhandelsfirma Landmann & Söhne in Moskau. Aus Schutz vor schikanösen Übergriffen der zaristischen Polizei konvertierte er im selben Jahr zum evangelischen Glauben.

 

1906 heiratete Siegfried Landmann in Moskau Elisabeth Dorenberg, mit der er vier Kinder hatte. Während des 1. Weltkrieges gingen Besitz und Geschäft in Russland verloren. Siegfried Landmann wurde verhaftet und interniert und kehrte erst 1919 via Japan, die Philippinen und die USA nach Deutschland zurück.

 

Als Geschäftsinhaber von Landmann & Söhne setzte er ab 1921 verstärkt auf Auslandsgeschäfte mit Südamerika. Während der frühen NS-Zeit verkaufte er zunächst den Familiensitz in Fürth und schließlich auch 1937 den seit 1839 bestehenden Familienbetrieb. 1938 wanderte er zusammen mit seiner Frau zunächst nach Schweden und schließlich 1939 nach Brasilien aus, wo die Fa. Landmann bereits seit 1933 ihren Sitz in Sao Paolo hatte.

Über diese Fotografie

Das Foto ermöglicht einen Blick in eines der beiden Säuglingszimmer im ersten Stock der Krautheimer Krippe. Hier waren die Kinder in Nachtpflege untergebracht. Jedes Zimmer bot Platz für insgesamt 10 Betten, die mit Namenstäfelchen ausgestattet waren. Auch ein Laufstall, ein Schaukelpferd und ein Tisch mit Stuhl für die Schwester gehörte zur Ausstattung.

Die Tür in der Bildmitte führte auf den als Liegehalle genutzten offenen Balkon. Die Tür auf der linken Bildseite führt in das Abteil der Nachtschwester, das auch eine Verbindung zum zweiten Säuglingszimmer im selben Stockwerk hatte. Die Fenster des Schwesternabteils ermöglichten die Überwachung beider Zimmer.

Die Stadt Fürth ließ die Räume der Krippe vor der Eröffnung des Hauses zu Dokumentationszwecken fotografieren.

Pflege

Höhensonne aus dem Originalbestand der Krautheimer Krippe, gefertigt in den 1920er Jahren.
© Jüdisches Museum Franken

Pflege

Neben Betreuung und regelmäßiger Ernährung mit gesunder Milch spielte in der Krautheimer Krippe auch die Verhinderung von Krankheiten und Mangelerscheinungen eine große Rolle.

Die Säuglingszimmer waren nach Südosten ausgerichtet, um einen möglichst hohen Sonneneinfall zu gewährleisten. In einer angrenzenden, offenen Liegehalle sollte mit ausreichend frischer Luft und viel Sonne Rachitis und der weit verbreiteten Lungenkrankheit TBC vorgebeugt werden.

1927 beantragte die Oberin der Krippe zudem die Anschaffung einer Höhensonne zur Rachitisbekämpfung. Die Tuberkulose-Fürsorge Fürth übergab zwei Lampen unter der Bedingung, dass ein eigener Bestrahlungsraum eingerichtet wurde.

Fürsorge

Auto-Ausflug der Familie Ehrlich-Krautheimer, v.l. Franz und Martha Ehrlich, verw. Krautheimer, mit den Kindern Lotte und Paul sowie dem Chauffeur, 1924.
© Jüdisches Museum Franken (JMF_02149)

Fürsorge

In Erfüllung des Testaments ihres verstorbenen Mannes Richard stellte Martha Krautheimer 1910 die Mittel zum Bau der Kinderkrippe zur Verfügung. Als Träger fungierte der interkonfessionelle St.-Johannis-Zweigverein, der jährlich 2.000 M an Betriebskosten übernehmen wollte, bei gleichzeitig bindender finanzieller Zusagen der Stadt.

Der Betrieb der Krippe war jedoch stets defizitär. Bis zur Insolvenz der Schuhfabrik Ehrlich und ihrer Auswanderung nach Schweden im Jahr 1931 sorgten Martha Krautheimer und ihr zweiter Mann Franz Ehrlich mit monatlichen Zuschüssen und Einzelspenden, zum Beispiel anlässlich der Geburt des gemeinsamen Sohnes Paul, für den notwendigen Rechnungsausgleich.

Sie finanzierten zudem jahrelang einen Freiplatz für besonders bedürftige Kinder und veranlassten Freunde und Familienangehörige, sich mit Spenden und anderen Zuwendungen für die Krautheimer Krippe zu engagieren.

Die enge Verbundenheit der Familie mit ihrer Stiftung zeigte sich auch darin, dass die beiden Töchter, Sophie und Lotte, eine Ausbildung zur Kinderpflegerin in der Krippe absolvierten, ehe sie andere Berufe ergriffen.

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Ansicht der Industriestadt Fürth von Süden, um 1890. Das Stadtbild ist geprägt von den rauchenden Schlöten der Industriebetriebe.
© Stadtarchiv Fürth

Vorsorge

Die Säuglings- und Kindersterblichkeit in der Arbeiter- und Industriestadt Fürth lag im Jahr der Stiftung der Krautheimer Krippe bei 25%. Die Bekämpfung dieser hohen Todesrate war vordringliches Ziel der städtischen Gesundheitspolitik.

Die Nachfrage nach Krippenplätzen, auch von alleinerziehenden Fabrikarbeiterinnen, war hoch. Ohne den heute gesetzlich verankerten Mutterschutz und das Recht auf Elternzeit waren berufstätige Mütter gezwungen, bereits ihre Neugeborenen mit zweifelhaften Aussichten in Kost und Pflege zu geben, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

Die Krautheimer Krippe bot, da zu Beginn des 20. Jahrhunderts Nachtarbeit in Fabriken normal war, eine Versorgung rund um die Uhr. Knapp 120 Kinder konnten in den vier Säuglingszimmern in Tag- und Nachtpflege versorgt und betreut werden.

Das wöchentliche Pflegegeld pro Woche betrug 1913 drei Mark, bei einem durchschnittlichen Wochenlohn von 25 Mark. Darin waren fünf Flaschenmahlzeiten enthalten. Für Mütter, die ihre Kinder stillten, reduzierte sich die Gebühr pro Stillmahlzeit um 10 Pfennige.